Soll das Berufsleben bis ü70 dauern?

Der Boulevard hat die knackigen 70-Jährigen entdeckt. Weil die legendären Sauterelles um Leadsänger Toni Vescoli ihr Comeback geben.
Soll das Berufsleben bis ü70 dauern?
«70 ist das neue 50!», schreibt der Blick in seiner Ausgabe vom 29. Januar: Die Debatte ist lanciert.

Der Blick analysiert: «70 ist das neue 50!». 

Die heutigen Golden Agers seien heute gesundheitlich besser versorgt als alle Generationen vor ihnen, sie seien nicht mehr durch ein langes, hartes Arbeitsleben ausgelaugt, würden aber auch länger jung sein wollen. Die Alten, so der Befund, werden immer jünger. Die Debatte ist lanciert. 

Die legendärste Rockgruppe der Schweiz, Les Sauterelles, gab gestern im Blick bekannt, dass sie Ende April eine CD mit neuen Liedern veröffentlicht - 45 Jahre nach ihrem letzten Album! «Wir sind richtig giggerig darauf, den Fans die neuen Songs zu präsentieren», freut sich Sänger Toni Vescoli (70). Auf die Frage, ob er mit siebzig nicht zu alt sei, um nochmals loszurocken, antwortete er lachend: «Im Gegenteil! Das Alter macht uns nur besser.» Er fühle sich ausgeglichener und agiler als vor 20 Jahren.
Vescoli und seine Sauterelles: Sind sie nur spätpubertäre Altrocker oder typische Vertreter der heutigen Generation der 70-Jährigen? «Fakt ist, dass die Menschen langsamer alt werden als früher, sie sind aktiver und bleiben auch im Kopf länger jung», sagt Eling Douwe de Bruin (48), Privatdozent am Zürcher ETH-Institut für Bewegungswissenschaften und Sport.

Gründe für die zunehmende Vitalität gibt es viele: «Einerseits hat sich die Gesundheitsversorgung stark verbessert, was eine höhere Zufriedenheit zur Folge hat», erklärt de Bruin. «Anderseits sind die heutigen 70- bis 80-Jährigen weniger ausgelaugt als diejenigen der Generationen davor.» Früher habe man 80 Stunden die Woche arbeiten müssen, heute seien es 45. «Der körperliche Verschleiss ist folglich nicht mehr so gross.» Die Menschen bleiben länger gesund. «Und wer gesund ist, ist glücklicher», so de Bruin.
Udo Rauchfleisch (70), Professor für Psychologie an der Universität Basel, kennt noch einen Grund für den Vitalitäts-Boom: Lebenserfahrene Menschen würden heute in der Regel länger am Jugendlichkeitsideal festhalten als früher, «denn dieses hat in der heutigen Gesellschaft einen nie dagewesenen Stellenwert», sagt er. Sie würden sich moderner kleiden, öfter die Haare färben, besser pflegen und mehr bewegen. Fazit des Psychologen: «Viele der 70-Jährigen fühlen sich wie 50 und sehen oft auch entsprechend jung aus.»

Doch es steht noch besser um die Senioren: Umfragen haben ergeben, dass die Zufriedenheit in der Schweiz bei niemandem so hoch ist wie bei den Menschen zwischen 65 und 74. «Der Arbeitsstress ist weg, man ist finanziell mehrheitlich gut abgesichert, und gesundheitlich geht es vielen gut», sagt Generationsforscher François Höpflinger (64), Professor am Soziologischen Institut der Universität Zürich. «Das macht kreativer und innovativer.»

Für die länger währende geistige und körperliche Fitness muss man aber auch etwas tun. «Man darf nicht den ganzen Tag gelangweilt zu Hause vor dem Fernseher sitzen», sagt Vescoli. «Man muss neugierig bleiben und sich mit der Welt auseinandersetzen.» Der Altrocker verbringt drei Monate im Jahr auf der spanischen Ferieninsel Teneriffa. «Aber nicht, um an der Sonne zu faulenzen», wie er betont, «sondern um zu arbeiten.» Er schreibe Songs, plane Konzerte, lese viel und treibe Sport. «Ich versuche, wissbegierig und beweglich zu bleiben», sagt er. «Denn wer rastet, rostet.»

Für das Comeback der Sauterelles hat er ein gutes Gefühl: «Mit 70 müssen wir nichts mehr beweisen. Wir haben nichts zu verlieren. Deshalb können wir nur gewinnen. Und geniessen.»
www.blick.ch


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