Wie sich Marihuana zur 50plus-Droge entwickelt

Die Achtundsechziger von gestern sind die 68 Jährigen von heute. Cannabis ist ihre Droge. Sie entspannt, betäubt Schmerzen und macht nicht dick.
Wie sich Marihuana zur 50plus-Droge entwickelt
Wie lange ist Kiffen für vernünftige 50plus noch verboten?

Illegal ist sie immer noch, schreibt Marie-Sophie Müller auf «welt.de».

Seit dem Sommer schläft Hans Beimer endlich wieder durch. Sein Nachbar und Hausarzt Dr. Flöter hat ihm (illegal) ein Büschelchen Gras besorgt, das er mithilfe eines Vaporizers auf exakt 200 Grad erhitzt, um den THC-Dampf zu inhalieren und sich am offenen Fenster mit Blick auf die Lindenstrasse zurückzulehnen.

Der Pantoffel rutscht ihm vom rechten nackten Fuss, er lächelt, sein vom Parkinson geschüttelter Körper entspannt. Spätestens an jenem Sonntagabend muss jedem Fernsehzuschauer in Deutschland klar geworden sein: Marihuana ist nicht mehr die böse Einstiegsdroge, die zwangsläufig in der Heroinsucht endet.

Kiffen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jeder tut es, sogar Vater Beimer. Was die "Lindenstrasse" thematisiert, ist gesellschaftspolitisch relevant. Schwulenkuss, Asylrecht, Ökoaktivismus, Wehrpflicht, Veganismus, aktive Sterbehilfe - Hans W. Geissendörfer war der Stimmungslage der Republik schon oft ein paar Sonntagabende voraus.

Die Einzigen, die sich über das Kiffen noch aufregen, sind Beimers Frau Anna (aber nur bis zur nächsten Folge) und die deutsche Rechtspflege. Cannabis ist in Deutschland eine illegale Droge, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.

Man darf sie weder besitzen noch anbauen oder seinem kranken Nachbarn besorgen. Ein neues Gesetz könnte aber ab Frühjahr 2017 dafür sorgen, dass niedergelassene Ärzte Cannabis als Schmerzmittel verschreiben dürfen. Die Entwicklung in den USA lässt vermuten, dass das der erste Schritt auf dem Weg zur Legalisierung sein könnte (siehe dazu etwa den Beitrag von Cem Özdemir in der "Welt").

Wenn man einmal kurz nachrechnet, ist das Thema Cannabis für Senioren keine wirkliche Überraschung. So wie die Popkultur zusammen mit den Rolling Stones in die Jahre gekommen ist, sind auch diejenigen, die 1968 kiffend gegen ihre spiessige Elterngeneration rebellierten, inzwischen in Rente gegangen (anders als Mick Jagger und Keith Richards).

Heisst das, dass sie mit dem Kiffen aufgehört haben? Viele ja, andere nicht. Einer, der während seines Jura-Studiums Anfang der 70er-Jahre mit dem Kiffen angefangen hat, sitzt jetzt im Karohemd vor einer gut gefüllten Bücherwand im schicken Hamburger Elbvorort Othmarschen in einem "Poäng"-Schwingsessel von Ikea.

Auf dem Couchtisch ein Aschenbecher mit halb runtergerauchtem Joint mit Kohlefilter. "Das ist der Rest von gestern Abend. Drei Züge, das reicht mir", sagt der 63-Jährige und lächelt verschmitzt. "Habe ,Blind Date' mit Bruce Willis geguckt - so ein affengeiler Film. Das ist das Tolle am Kiffen: Selbst ein Film, der einfach nur schöne Bilder hat wie ,Reise nach Indien' kommt wunderbar. Mit Alkohol geht das nicht."


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