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Es tat gut, noch gebraucht zu werden

Mit Mitte fünfzig die Diagnose Demenz. Wie Beat Vogel nicht aufgab und trotzdem weiterarbeitete, lesen Sie hier im Artikel.
Es tat gut, noch gebraucht zu werden
Beat Vogel (Bild Alzheimer Schweiz)

Er sei leidenschaftlich gerne zur Arbeit gegangen, sagt Beat Vogel. Eine sorgfältige Arbeitsweise sei ihm wichtig gewesen: «Ich war ein ganz Pingeliger.» Der gelernte Maschinenmechaniker wurde Schulhauswart und stieg zum Leiter Infrastruktur der Pädagogischen Hochschule (PH) Luzern auf. Er war für zwölf Liegenschaften verantwortlich und verfügte über ein Millionenbudget. Ein fünfköpfiges Team war ihm unterstellt. Die ersten Auffälligkeiten realisierte er halb selber, halb durch Reaktionen von Kollegen. Als Chef vergass er, wer ihn gerade angerufen hatte. Er gab Dokumente weiter, ohne sie zu unterschreiben, und übersäte seinen Arbeitsplatz mit Post-it-Zetteln, um an alles zu denken.

Das war so ungewohnt, dass der Mittfünfziger den Hausarzt aufsuchte. Ein langer medizinischer Weg mit ausgedehnten Abklärungen begann. Wechselnde Spezialisten untersuchten ihn auf alles Mögliche, bis die Diagnose endlich feststand: frontotemporale Demenz. Das ist inzwischen knapp drei Jahre her. «Es war wie eine Ohrfeige, aber auch eine Erleichterung», blickt Beat Vogel zurück. Endlich wusste er, was mit ihm los war. Nach der Diagnose war klar: Mit fortschreitender Erkrankung würden die Einbussen zunehmen. Wie weiter also?

Abschieben kam nicht infrage

Alle setzten sich zusammen: Beat Vogel, sein Vorgesetzter, die Personalabteilung. Eine von der PH Luzern beigezogene und finanzierte Case-Managerin wirkte ebenfalls mit. Ihr Wissen über den Sozialversicherungsdschungel war von grossem Nutzen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer fanden eine für beide Seiten befriedigende Lösung. Beat Vogel kam jeweils am Vormittag weiterhin zur Arbeit. Er wurde einem Teamkollegen zugeteilt, der ihm einfache Aufgaben im Tagesbetrieb übertrug: Lampenkontrolle, kleinere Reparaturen, Material nachfüllen, Gestelle reinigen. Der Kollege achtete darauf, dass er die Tätigkeiten korrekt ausführte, und half ihm bei Unsicherheiten weiter.

Vom Abteilungsleiter zum Hilfsarbeiter mit weniger Lohn: Beat Vogel haderte nicht damit. Ganz im Gegenteil: «Ich war froh, arbeiten gehen zu können», sagt er. Die Tagesstruktur und die sozialen Kontakte hätten ihm gutgetan, auch das Gefühl, trotz seiner Erkrankung am Arbeitsplatz noch gebraucht zu werden: «Ich wurde nicht einfach abgeschoben.» Das wäre für die PH Luzern niemals infrage kommen, unterstreicht die Personalverantwortliche Claudia Weber: «Wir nehmen unsere soziale Verantwortung ernst.» Mit Willen und Kreativität fänden sich oft Möglichkeiten, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen: in einer anderen Funktion, mit angepassten Anforderungen und vermindertem Pensum.

Junger Kollege hilft mit

Damit die Räume für Beat Vogel überschaubar blieben, kam er nur noch in einem der Schulgebäude zum Einsatz. Sein Pflichtenheft schützte ihn vor möglichen Gefahren im Hausdienst: keine Maschinen mehr, keine Chemikalien. Simon Heer, der 23-jährige Fachmann Betriebsunterhalt, unterstützte ihn bei der Arbeit. «Ich hatte Beat Vogel als sehr gut ausgebildeten Kollegen kennengelernt, von dem ich viel lernen konnte», anerkennt der junge Hauswart.

«Ich bin nicht einer, der versauert»

Personalchefin Claudia Weber kannte die Krankheit Demenz aus ihrem persönlichen Umfeld. Das trug dazu bei, dass sie für den Umgang damit sensibilisiert war. Sie windet allen Beteiligten der PHLU ein Kränzchen. Auch Beat Vogel selber sei das Gelingen zu verdanken: Er habe sich mit seiner Demenz auseinandergesetzt und sei sich stets bewusst gewesen, was noch gehe und was nicht.

Im Frühling 2019 beendete Beat Vogel von sich aus sein Erwerbsleben, noch keine sechzig Jahre alt. Zuvor war ihm eine IV-Rente zugesprochen worden. Ohne die entschlossene Unterstützung der Case-Managerin hätte das nie geklappt, sagt er und findet: Eine solche Beratung müsste allen jüngeren Demenzbetroffenen zur Verfügung -stehen. Inzwischen hat Beat Vogel sich einen neuen Alltag aufgebaut. «Ich bin nicht einer, der versauert», sagt er. Er geht unter die Leute und wirbt um Verständnis für Menschen mit Demenz, wo er nur kann. Als sportlicher Typ bewegt er sich viel im Freien. Seine Angehörigen können via Smartphone-App nachverfolgen, wo er sich befindet – eine Sicherheitsmassnahme. Auf der anderen Seite entdecke er Neues, sagt er, das mache ihm Freude. Unter anderem fing er an, kurze Sinnsprüche zu verfassen, zum Beispiel: «Demenz – was bleibt, ist ein Mensch.»

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