Hannes Britschgi: «Ich zweifle, also bin ich»

Der TV- und Printjournalist Hannes Britschgi will seine Lernkurve nie abreissen lassen. Er mag die Menschen und möchte unbedingt nochmals 20 sein.
Ich zweifle, also bin ich
TV- und Printjournalist Hannes Britschgi (Bild zVg)

1. Was haben Sie im Leben erreicht?

Ein grosses Glück mit meiner Familie und ein tolles Leben als Journalist.

2. Was haben Sie nicht erreicht, was Sie erreichen wollten?

Ich habe 2001 von Fernsehen zum Print gewechselt. So erlebte ich als Chefredaktor die Talfahrt im Printjournalismus. Du willst höhere Auflagen und Leserzahlen, aber es geht in die andere Richtung. Das hat mich belastet.

3. Wenn Sie zurückblicken, auf was sind Sie besonders stolz?

Dass ich meinen Beitrag zum unabhängigen, kritischen Journalismus leisten durfte - mit der bewährten Methode: wahr, fair, unabhängig und transparent. Und dass ich bis heute meine Lernkurve nie habe abreissen lassen.

4. Was haben Sie verpasst im Leben?

Mich total zu verlieren. Immer habe ich versucht, zumindest eine Hand am Steuer zu behalten.

5. Was würden Sie gerne noch lernen?

Meine fremdsprachlichen und musikalischen Möglichkeiten verbessern, und wie man das Altern wirklich akzeptiert. 

6. Was kann man von Ihnen lernen?

Das Zweifeln. Ich hinterfrage mich und meine Arbeit konstant. Ich zweifle, also bin ich.

7. Wären Sie gerne nochmals 20?

Unbedingt. Das wäre fantastisch. Leute, die sagen, ich würde alles nochmals gleich machen, verstehe ich nicht.

8. Was würden Sie an Ihrem Leben ändern, wenn Sie könnten?

Ich würde gerne etwas nomadischer leben. Von Quartier zu Quartier ziehen, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land. Wir leben seit 20 Jahren im gleichen Haus. Vor zehn Jahren sind wir vom Parterre in den zweiten Stock gezogen und haben eine Aufsteiger-Party gefeiert.

9. Welches Motto würden Sie der Generation 50plus mit auf den Weg geben?

Alle wollen die Welt ändern, aber keine und keiner sich selbst. Tolstoi lässt grüssen. Also: Es ist nie zu spät.

10. Was macht Ihnen Freude?

Austausch. Kontakt. Intimität. Tolle Gäste an der Tafelrunde: Reden, lachen, weinen, streiten, geniessen. 

11. Was macht Ihnen Angst?

Ich habe Höhenangst. Am Seil in einer Felswand geht gar nicht. Brücken mit Glasböden nicht. Nachts im Meer baden. Brutalität. Naturkatastrophen.

12. Was ist Ihr grösstes Talent?

Ich mag Menschen und ich kann mit Menschen. Und nachts träume ich wild.

13. Mit wem würden Sie gerne eine Wanderung unternehmen?

Mit Vertrauten, denen die nächste Berhütte wichtiger ist als der nächste Gipfel.

14. Mit wem möchten Sie nicht im Lift stecken bleiben?

Mit einem Esoteriker, der die Geister ruft, statt mir zu helfen aus der Kiste zu kommen.

15. Glauben Sie ans Schicksal?

Nein. Ich liebe es, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Deshalb gefällt das arabische Sprichwort: Binde dein Kamel fest, bevor du dich zum Gebet niederwirfst!

Hannes Britschgi, 1955, aus Obwalden, studierte an der juristischen Fakultät Bern und machte 1984 das Berner Anwaltspatent.
Seit über 30 ist er Journalist. Zuerst beim Schweizer Fernsehen: «Karussell», «Max», «Kassensturz», «Rundschau». Für seine
«Rundschau»-Interviews erhielt er den «Telepreis 1997». 2001 wechselte er als Chefredaktor zum Schweizer Nachrichtenmagazin
«FACTS». 2005 übernahm er die Programmleitung von «Ringier TV». 2008 wurde er «SonntagsBlick»-Chefredaktor. Seit 2011 leitet
er die Ringier Journalistenschule.

Die Fragen stellte Peter Röthlisberger schriftlich.


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