Generation 50plus
Die Wirtschaft braucht die Generation 50plus
Es gibt Unternehmen, die häufen eingehende Stellenbewerbungen auf zwei Haufen. Auf dem einen liegen die Dossiers der jüngeren Leute, auf dem zweiten jene der Generation 50plus. Diese Dossiers werden allenfalls dann näher angeschaut, wenn sich im ersten Haufen keine geeigneten Bewerberinnen oder Bewerber finden.
Stellensuchende im gesetzteren Alter haben es auch im Aargau schwer. "Meist dauert es sehr lange, bis diese wieder eine Stelle finden", erklärte Regierungsrat Urs Hofmann am 6. Wirtschaftsanlass in Muri. Konkret sind Leute im Alter von 15 bis 24 Jahren im Schnitt während 143 Tagen arbeitslos.
25- bis 49-Jährige finden im Schnitt nach 247 Tagen eine neue Stelle, die Generation 50plus nach 376 Tagen. Dem will die Aargauer Regierung mit ihrer Kampagne "50plus" entgegenwirken: "Die über 50-jährigen Arbeitnehmenden sind häufiger arbeitslos, viel länger auf Stellensuche als die Jüngeren und überdurchschnittlich oft von der Aussteuerung betroffen. Das müssen wir ändern. Beim zunehmenden Fachkräftemangel ist unsere Wirtschaft je länger, je mehr auf diese Generation angewiesen", sagte Hofmann.
Es gelte vorab, mit den Vorurteilen gegen die Generation 50plus aufzuräumen: "Diese Vorurteile sind problemlos widerlegbar. Ältere Arbeitnehmer sind weder häufiger krank noch weniger produktiv und auch nicht schlechter motiviert", hielt der Regierungsrat fest.
Das bestätigte Christoph Koch, CEO und Inhaber des international renommierten Murianer Unternehmens Polytronic. Dort werden Bewerbungsdossiers nicht auf zwei Haufen geschichtet: "Die Generation 50plus ist eine Bereicherung für unser Unternehmen. Diese Leute sind sehr erfahren, gut ausgebildet und verfügen über eine hohe Sozialkompetenz.
Sie sind gegenüber der Firma loyal und meist auch sehr ausgeglichen. In Lohnfragen gehen sie wenn nötig Kompromisse ein." Nur ältere Bewerberinnen und Bewerber kann aber auch Christoph Koch nicht berücksichtigen: "Die Mischung im Unternehmen muss stimmen. Ich kann nicht riskieren, dass die halbe Belegschaft gleichzeitig in Rente geht."
Am Schluss seines Referats zitierte der Polytronic-CEO Henry Ford: "Nimm die Erfahrung und die Urteilskraft der Menschen über 50 heraus aus der Welt, und es wird nicht genug übrig bleiben, um ihren Bestand zu sichern." Die Regionale Arbeitsvermittlung (RAV) zahlt Einarbeitungszuschüsse bei der Anstellung von älteren Mitarbeitenden.
Wie Ueli Häckl, RAV-Leiter in Wohlen, ausführte, könnten sich diese im ersten Halbjahr einer unbefristeten Anstellung auf bis zu 60 Prozent und im zweiten Halbjahr auf bis zu 40 Prozent der Lohnsumme belaufen. Unter der Leitung von Gemeinderat Heinz Nater, der für die Organisation des Murianer Wirtschaftsanlasses verantwortlich zeichnete, diskutierten Marc Jordan, Vorsitzender Bankleitung Raiffeisenbank Oberfreiamt, Marco Beng, CEO Kreisspital Muri, Robert Barrer, Präsident Industrievereinigung Muri, Susanna Bandari, Arbeitgeberberaterin RAV Wohlen, und Karin Essig, Stellensuchende und Mitwirkende Kampagne 50plus zum Thema.
"Wir müssen unsere Verantwortung gegenüber der älteren Generation wahrnehmen, denn auch sie leisten einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Wirtschaft", sagte Robert Barrer. Marco Beng pflichtete ihm bei: "Ich erlebe die Generation 50plus als leistungsbereit und lebenserfahren. Solche Qualifikationen spielen in einem Spital eine wichtige Rolle."
Marc Jordan erachtet die Benachteiligung der Generation 50plus als gesellschaftliches Problem: "Wir müssen umdenken und die Bedingungen verbessern", sagte er. Susanna Bandarini appellierte an die Arbeitgeber: "Geben Sie diesen Leuten eine Chance. Schreiben Sie sie nicht schon von vornherein ab."
Darauf setzt auch Karin Essig. Sie weiss als Betroffene, wie hart es ist, als 50plus eine neue Stelle suchen zu müssen. Zum Schluss, nach viel Aufklärung und Goodwillschaffen, das unsägliche Votum eines Arbeitgebers aus dem Saal: "Es ist eine Tatsache, dass Leute über 50 nicht mehr leistungsfähig sind und keinen Stress mehr ertragen können."