Indivituelle Vorsorge
«Bedürfnis nach individueller Vorsorge steigt»
Aufgrund des Reformstaus und der negativen Dynamik im schweizerischen Vorsorgesystem wollen die Versicherten daher die Zügel vermehrt selbst in die Hand nehmen wenn es um ihre Altersvorsorge geht.
Die bisher noch wenig verbreiteten 1e-Vorsorgepläne der 2. Säule gewähren mehr finanzielle Entscheidungsfreiheit und dienen als Vorbild für weitere Innovationen. Die vom Verein Vorsorge Schweiz lancierte Initiative zum Einkauf bei Lücken in der dritten Säule ist ein weiteres Beispiel für mehr individuellen Gespaltungsspielraum.
Dass der Wunsch nach mehr Eigenverantwortung nachvollziehbar ist, zeigt die jüngste Entwicklung des UBS Vorsorgeindex Schweiz, der die Gesundheit unseres Vorsorgesystems misst.
Dieses hat weiterhin einen schwachen Puls. Insbesondere die Finanzlage des Vorsorgesystems gerät weiter in Schieflage und dies vor allem in der 1. Säule.
Die Bilanz der AHV hat sich dabei stärker als erwartet verschlechtert. Auch die neusten Bestrebungen, die AHV zu reformieren, werden voraussichtlich zu keiner nachhaltigen Lösung des Problems führen. Zusätzlich belastet der Reformstau das Vertrauen in die Altersvorsorge.
In unserer jüngsten Studie Meine Vorsorge – meine Entscheidung zeigen wir auf, wie durch individuelle Vorsorgelösungen mehr Eigenverantwortung übernommen werden kann. Selbstvorsorge über freiwilliges 3a-Sparen und Anlegen ist die naheliegende Lösung, wenn es um private Vorsorge geht.
Es gibt aber auch in der 2. Säule individuellen Gestaltungsspielraum, der noch wenigen bekannt ist. Die von einer zunehmenden Anzahl Arbeitgeber angebotenen 1e-Vorsorgepläne als Teil der 2. Säule erlauben dem Versicherten die freie Wahl der Anlagestrategie und bieten erhöhte Sicherheit, da das Kapital auf einem separaten Konto verwahrt wird.
Jedoch wird von den Versicherten verlangt, dass sie sich intensiver mit ihren Vorsorgeinvestitionen auseinandersetzen. Auch für den Arbeitgeber und die Vorsorgewerke der 2. Säule hat eine 1e-Lösung Auswirkungen. Für Unternehmen stellt die 1e-Lösung für Mitarbeitende mit höheren Löhnen einen zusätzlichen Attraktivitätsbonus dar. Je nach Rechnungslegungsstandard wird durch 1e- Pläne auch die Bilanz des Unternehmens entlastet.
Für die Vorsorgewerke der 2. Säule bringen die 1e-Pläne Vor- und Nachteile. Einerseits vergrössert die 1e-Option das Angebot und die Attraktivität insbesondere von Sammelstiftungen, die mehreren Arbeitgebern dienen.
Andererseits steigt der Aufwand, da das Gesetz eine rechtliche Trennung des 1e-Kapitals vom übrigen Pensionskassenvermögen und einen erhöhten Informationsfluss an die Versicherten verlangt.
Ob sich die Einführung von 1e-Vorsorgeplänen aus Sicht des Vorsorgewerks lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Durch die Abtrennung der 1e-Altersguthaben verringert sich das Pensionskassenvermögen, wodurch der Spielraum zur Quersubventionierung sinkt.
Die Schwäche der 2. Säule – die systemfremde Umverteilung von den heute Aktiven zu den Rentenbezügern – wird bei Vorsorgewerken mit 1e-Plänen auf den Teil des Pensionskassenkapitals ohne Wahlfreiheit in der Anlagestrategie begrenzt, was die Transparenz insgesamt erhöht.
So hat die Gesetzesänderung von 2017 einen positiven Nebeneffekt: Sie könnte die Notwendigkeit erhöhter Flexibilität in der Vorsorge verdeutlichen und den Anstoss zu weiteren Reformen liefern.
Die Studie zeigt auch auf, warum das Drei-Säulen-System der Schweiz in seiner gegenwärtigen Form den Herausforderungen einer sich ändernden Bevölkerungsstruktur nicht mehr gewachsen ist.
Bereits heute bezieht jede Rentnergeneration mehr vom obligatorischen Vorsorgesystem, als sie jemals eingezahlt hat. Die erwerbstätige Bevölkerung wird aller Voraussicht nach in Zukunft kaum noch wachsen, während sich die Zahl der Rentner mehr als verdoppeln wird.
Deshalb ist gut beraten, wer seine Vorsorge selbst in die Hand nimmt. Klar ist, dass Reformen unabdingbar sind und Erwerbstätige, die ihr Einkommen nach der Pensionierung sichern wollen, ihre Vorsorge aktiver mitgestalten müssen.