KREBSLIGA KT. ZÜRICH
Krebs - wenn das Essen nicht mehr schmeckt
Ernährungsberaterin Bettina Rösch sucht in den Beratungsstunden gemeinsam mit den Patienten nach Lösungen und bezieht dabei auch die Angehörigen mit ein.
Frau Rösch, weshalb ist eine Ernährungsberatung für Krebsbetroffene so wichtig?
Bettina Rösch: Allgemein sind die Therapien sehr belastend für den Körper und rauben ihm Reserven. Eine gesunde und bedarfsdeckende Ernährung trägt dazu bei, dass Krebsbetroffene für die energiezehrenden Therapien bei Kräften bleiben.
Welche konkreten Auswirkungen kann eine Therapie auf das Essverhalten haben?
Je nach Therapie und Krankheitsbild kann es zu verschiedenen Schwierigkeiten kommen, wie Gewichtsverlust infolge von Erbrechen oder Durchfall, Stoffwechselstörungen, Appetitlosigkeit durch die Chemotherapie oder durch die Diagnose Krebs selber. Die Geschmacksnerven können stark beeinträchtigt werden und oft treten Magendarmbeschwerden auf. Diese Ursachen führen dazu, dass die Lust am Essen verschwindet und der Körper geschwächt ist. Mit einer ausreichenden Energie-, Protein- und Nährstoffversorgung können Betroffene die Krebsbehandlungen besser durchstehen.
Wann empfehlen Sie eine Ernährungsberatung?
Optimal wäre, wenn schon kurz nach der Diagnose Krebs die Ernährungsberatung in den Behandlungsplan miteinbezogen würde. Meist kommen Patienten zu spät in die Beratung, da sich bei einer Krebsdiagnose oft viele andere Fragen stellen und sie die Beratung in diesem Bereich nicht als prioritär einschätzen oder gar nicht darauf hingewiesen werden.
Wie läuft eine Beratungssitzung bei Ihnen ab?
Mir liegt meist der Bericht des behandelnden Onkologen vor, natürlich muss ich aber vom Patient selber hören, wo seine oder ihre Problematik liegt und welche Auswirkungen diese auf das Essverhalten hat. Danach lege ich gemeinsam mit ihm fest, welche Schritte er angehen kann und wie diese im Alltag eingebaut werden können. Wichtig ist, dass nicht der Tagesablauf an die Mahlzeiten angepasst wird, vielmehr soll sich die Nahrungsaufnahme nach dem Tagesplan der betroffenen Person richten. Vor allem bei Betroffenen, die unter Appetitlosigkeit leiden, ist dies zentral.
Das hört sich kompliziert an.
Das ist es gar nicht. Ich möchte den Patienten aufzeigen, wie sie ihre Gewohnheiten rund ums Essen den aktuellen Bedürfnissen anpassen können. Die Betroffenen können beispielsweise Tagebuch führen über ihr Essverhalten und in einer Folgesitzung schauen wir gemeinsam an, was sie umsetzen konnten und was ihnen speziell geholfen hat.
Welche Ratschläge können Sie Betroffenen mitgeben?
Grundsätzlich ist jeder Patient anders und es können je nach betroffenem Organ, Therapieform und Krankheitsstadium verschiedene Ursachen auftreten. Ein paar grundsätzliche Regeln können aber schon formuliert werden: Jemand der keinen Appetit verspürt, soll keine grossen Portionen zu den üblichen drei Hauptmahlzeiten am Tag schöpfen, sondern über den Tag verteilt mehrere kleine Portionen zu sich nehmen. Auch das Auge isst bekanntlich mit. Ein schön angerichteter Teller und ein ansprechendes Ambiente regen den Appetit an. Zudem soll man auch essen worauf man Lust hat und was reich an Nährstoffen ist. Bei Magen-Darm-Problemen soll auf die individuelle Verträglichkeit geachtet werden. Auf sehr heisse oder scharfe Mahlzeiten verzichten sollte, wer an Entzündungen im Mundbereich leidet.
Wenn nicht mehr gegessen wird, was auf den Tisch kommt, kann dies zu Konflikten zwischen Partnern führen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Oft verstehen Angehörige nicht, dass zu essen für die Betroffenen eine Qual ist. In einer Beratungssitzung kann ich den Paaren Raum geben, um über diese Dinge zu sprechen und versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Es ist wichtig, dass Angehörige verstehen und akzeptieren, dass das Lieblingsgericht nicht mehr schmeckt oder man einfach nicht mehr so viel davon essen mag. Deshalb schaue ich mit den Betroffenen und ihren Angehörigen an, wo die Grenzen im Essverhalten liegen und wo es aber auch Möglichkeiten für Veränderung gibt.
Was können Angehörige tun, um Betroffene zu unterstützen?
Gerne dürfen die Angehörigen auch gleich mit zum Beratungsgespräch kommen, da sie hierbei eine sehr wichtige Rolle spielen. Ein älterer Mann beispielsweise, der nie kocht, ist in dieser Hinsicht sehr auf seine Frau angewiesen. Sie sollte sich anhören, worauf der Mann Lust hat und dies nach Möglichkeit kochen. Wichtig ist auch, dass sie sich mit an den Tisch setzt, unabhängig davon, ob sie ebenfalls isst. So kann sie ihm das Gefühl vermitteln, dass Essen etwas Alltägliches ist und etwas Freudvolles bleibt.
Werden die Kosten für eine Ernährungsberatung von der Grundversicherung übernommen?
Ja, wenn die Krebsbetroffenen auf Verordnung des Arztes in die Ernährungsberatung kommen, werden grundsätzlich sechs Beratungsstunden von der Grundversicherung der Krankenkassen bezahlt. Wie viele Beratungen es tatsächlich braucht, zeigt sich oft im Verlauf.