Prostatakrebs: Das müssen Sie wissen

Das häufigste Tumorleiden bei Männern ist Prostatakrebs. Und bei keinem anderen gibt es eine solche Vielfalt an Therapien.
Prostatakrebs: Das müssen Sie wissen
Bei Prostatakrebs gibts viele Behandlungsmöglichkeiten. Der Patient soll mitbestimmen können.

Gut so, denn jeder Patient ist anders, schreibt «senioren-ratgeber.de».

Es sind sehr private Fragen, die der Bildschirm stellt. "Hatten Sie in den letzten vier Wochen Interesse an Sex?", heisst es da. "Wie wichtig ist es Ihnen, eine Behandlung zu wählen, die plötzlichen Urinverlust vermeidet?", will der Computer auf der nächsten Seite wissen. Etwa zwei Stunden braucht man, um die "Entscheidungshilfe Prostatakrebs" zu beackern, Lehrfilme zum Thema inklusive.

"Der Patient kann sich zu Hause übers Internet in das Programm einloggen, nachdem die Diagnose gestellt wurde", skizziert Privatdozent Dr. Dr. Johannes Huber von der Urologischen Uniklinik Dresden die Idee. Das Ergebnis wird dem behandelnden Arzt zurückgespielt. Das bundesweite Projekt ist dem jungen Oberarzt ein Herzensanliegen: "Männer mit Prostatakrebs sollten nicht nur gut über ihre Krankheit Bescheid wissen, sie sollten sich auch in aller Ruhe über ihre Wünsche und Erwartungen an die Therapie klar werden."

Dann stiegen die Chancen, dass die Kranken mit dem eingeschlagenen Weg zufrieden sind - und etwaige Nebenwirkungen oder Rückschläge wegstecken. Pro Jahr erfahren rund 60'000 Bundesbürger von ihrem Prostatakrebs, der damit unter den Tumorleiden des starken Geschlechts an der Spitze steht. Das Spektrum an Behandlungswegen hat sich in den vergangenen 20 Jahren enorm verbreitert, berichtet Dr. Andreas Schneider, niedergelassener Urologe in Winsen an der Luhe.

"Das ist keine 08/15-Medizin, bei der es ausser Skalpell und Strahlen nichts mehr gibt." So haben Pharmaforscher neue Angriffspunkte für die Arzneitherapie des Prostatakrebses gefunden, Operationstechniken sind feiner geworden und Bestrahlungsgeräte zielgenauer. Selbst wenn sich der Tumor bereits in anderen Organen festgesetzt hat, kann die Medizin dem Patienten oft noch einige gute Jahre schenken. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate nach der Diagnose liegt bei gut 90 Prozent.

Den Arzt interessieren besonders zwei Dinge, um für einen Betroffenen die passende Therapie herauszufiltern: die Ausbreitung des Krebses und die Bösartigkeit seiner Zellen. Den Patienten kümmern dagegen häufig eher die mutmasslichen Auswirkungen auf Lebensfreude und Liebesleben. "Nicht selten gibt es für einen Fall zwei oder drei ähnlich gute Behandlungen", weiss der Urologe Olaf Ledwig vom Klinikum Neumarkt. "Man sollte sich für die Variante entscheiden, bei der man das bessere Gefühl hat."

Nagen Zweifel, rät Ledwig, die Meinung eines zweiten Experten einzuholen. Vor allem eine Strategie verlangt dem Patienten erfahrungsgemäss Nervenstärke ab: abzuwarten und den Tumor engmaschig zu kontrollieren. Die sogenannte aktive Überwachung kommt infrage, wenn die Gewebeprobe die Geschwulst als wenig gefährlich einstuft, und liegt zurzeit im Trend. Der Chef der Dresdner Urologie, Professor Manfred Wirth, sieht darin einen Grund, weshalb die Zahl der Krebsoperationen an der Prostata seit etwa zehn Jahren zurückgeht.

Den Tumor unter Beobachtung zu stellen erspart dem Patienten vorerst mögliche Nachteile durch einen Eingriff, etwa das Risiko eines Potenzverlusts oder Blasenschwäche. Doch an Krebs erkrankt zu sein und nichts dagegen zu tun - mit dieser Situation kommt nicht jeder psychisch klar, beobachtet Wirth. In den ersten drei Jahren steigt jeder vierte Patient aus und lässt den Tumor kurieren, selbst wenn die Werte Entwarnung signalisieren. Wirth weist auf einen weiteren Schwachpunkt der aktiven Überwachung hin.

"Mit den heutigen Labortests lässt sich die Gefährlichkeit eines Prostatakrebs nicht 100-prozentig einschätzen." Das Risiko, dass ein Fortschreiten der Erkrankung trotz ständiger Kontrollen erst spät bemerkt wird, sei durchaus gegeben. Für die Forschung ist die Geschwulst in mancherlei Hinsicht noch ein grosser Unbekannter. Anders als bei Lungen- oder Darmkrebs wissen Ärzte kaum etwas über die exakten Ursachen.

Klar ist, dass das Risiko mit dem Alter steigt. Erhöhte Gefahr besteht, wenn Vater oder Bruder erkrankt waren. Vieles deutet darauf hin, dass ein Übermass an tierischen Fetten den Tumor befeuert. Warum aber verpuppt sich der Krebs bei vielen lange Jahre in der Prostata, während er bei anderen rasch um sich greift und bedrohlich wird? Eine Antwort auf diese Frage versteckt sich womöglich auf Glasplättchen von der Grösse eines Kaugummistreifens.

Mehr als 5000 davon lagern im Labor der Urologie am Universitätsklinikum Dresden. Auf ihnen schimmern zwei kreisförmige, grau melierte Gebilde, hauchdünn geschnitten. Beide entstammen der Prostata desselben Patienten - und sind doch grundverschieden: Eine Probe enthält gesundes Gewebe, in der anderen stecken Krebszellen. Vom Vergleich der Gewebeschnitte erhofft sich Urologie-Professor Wirth Hinweise, was schiefläuft in Krebszellen - und wie sie sich sortieren lassen.

Am Ende sollen neue Urin-, Blut- und Gewebetests stehen, die präzise Prognosen zum Verlauf des Leidens und zu den Aussichten einer aktiven Überwachung erlauben. Das könnte auch für mehr Treffsicherheit bei der Früherkennung sorgen. Vor allem die Blutprobe auf PSA ist in die Kritik geraten, weil mit ihrer Hilfe mitunter Tumoren entdeckt werden, die den Patienten nie behelligt hätten.

Ausserdem springt der Test bei jeder Reizung der Vorsteherdrüse an: bei Krebs genauso wie bei einer Entzündung oder nach dem Sex. Momentan häufen sich die Hinweise, dass Männer vom PSA-Test zur Krebsvorsorge eher profitieren; aktuelle Studien sollen Klarheit bringen. "Man sollte sich über das Für und Wider informieren", rät Bernd Reitberger. Der Leiter der Nürnberger Selbsthilfegruppe Prostatakrebs wäre schon zufrieden, wenn sich Männer überhaupt mehr mit dem Thema beschäftigten. "In jedem dritten Fall", berichtet Reitberger, "ist es die Ehefrau, die den Kontakt zu uns sucht."


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